

Merz stimmt auf "Unausweichlichkeit von Veränderungen" ein - Debatte im Bundestag
Angesichts von Konjunkturflaute und wachsenden Haushaltsnöten hat der Bundestag am Mittwoch über den richtigen Weg aus der Krise gestritten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) warb in der Generaldebatte für Veränderungsbereitschaft und richtete einen Appell an die Bürgerinnen und Bürger: Nötig sei ein "Einverständnis im Land für die Unausweichlichkeit von Veränderungen". Die Opposition warf dem Kanzler in der von scharfer Rhetorik geprägten Aussprache vor, falsche Weichenstellungen vorzunehmen.
"Dass unsere Volkswirtschaft wieder floriert, dafür müssen wir ziemlich viel tun", sagte Merz. Dabei sei die Reform des Sozialstaats "unabdingbar". Der Kanzler wies den Vorwurf zurück, seine Regierung plane "einen Kahlschlag oder einen Abbruch des Sozialstaats". Das Ziel der Reformen sei vielmehr dessen Erhalt. "Wer sich diesen Reformen aber verweigert, der sägt in Wahrheit an den Grundlagen unserer Sozialpolitik und unseres Sozialstaats."
Der Bundeskanzler äußerte sich in der so genannten Generaldebatte über den Etat des Kanzleramts im kommenden Jahr. Diese Debatte wird traditionell für einen Schlagabtausch über die Politik der Bundesregierung insgesamt genutzt.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel übte scharfe Kritik an der beispiellosen Schuldenaufnahme der schwarz-roten Bundesregierung. "Sie werden als größter Bankrotteur unter allen Kanzlern der Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte eingehen", sagte sie an die Adresse von Merz.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann warf dem Kanzler vor, die "Erfolgsgeschichte" der erneuerbaren Energie "abzuwürgen" und damit dem Standort Deutschland zu schaden. Seine Energie- und Wirtschaftspolitik orientiere sich offenbar an dem, "was Sie in den 80er und 90er Jahren in das CDU-Programm geschrieben haben".
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek bemängelte, im Haushaltsentwurf gebe es für die Menschen "keine Entlastung, zu wenig Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge, keine Stärkung der sozialen Sicherungssysteme". Merz wolle die Menschen offenbar "für dumm verkaufen", wenn er sage, er plane keinen Sozialstaatsabbau.
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) zeichnete ein düsteres Bild der aktuellen Lage - und begründete damit die Reformvorhaben der Koalition. "Was selten vorkommt in Deutschland: Die Lage ist schlechter als die Stimmung", sagte er. "Drei Jahre Rezession, über drei Millionen Arbeitslose, ein überreguliertes Land, die Lage in der Industrie ist brutal."
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch forderte, Hürden für Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und gesellschaftlichen Zusammenhalt schnell zu beseitigen. "Mit einem Haushaltsbeschluss alleine kommt noch nichts bei den Menschen an", betonte der SPD-Politiker. Die Menschen seien "hoch verunsichert" durch die Weltlage, "aber auch aufgrund der Sorge um die Arbeitsplätze".
Mit der angespannten internationalen Lage begründete auch Kanzler Merz die Notwendigkeit von Reformen. "Wir stehen als Land in einer der herausforderndsten Phasen unserer neueren Geschichte", betonte er. "Die gesamte westliche Wertegemeinschaft steht vor ihrer vielleicht größten Bewährungsprobe."
Umso wichtiger sei es, das Land durch kräftigeres Wirtschaftswachstum zu stärken, sagte Merz. Nur so "werden die Mittel gewonnen, die wir brauchen, um Infrastruktur zu finanzieren, Solidarität zu üben und soziale Sicherheit auf Dauer zu gewährleisten".
Dabei wolle seine Regierung insbesondere die Stahl und die Autoindustrie stärker stützen, um diesen "in Deutschland eine gute Perspektive zu eröffnen", sagte Merz. Dazu stünden in den nächsten Tagen Gespräche mit Branchenvertretern an.
Mit scharfer Kritik bedachte der Kanzler in der Debatte die Grünen, denen er vorwarf, als Teil der Ampel-Koalition eine ideologische Klimapolitik betrieben zu haben. "Ein Klimaschutz, der den Wohlstand unseres Landes aufs Spiel setzt, der findet keine Akzeptanz in der Bevölkerung", sagte Merz. Die Grünen könnten dies auch "an ihren Wahlergebnissen" ablesen.
Grünen-Fraktionschefin Haßelmann wies die Vorwürfe gegen ihre Partei als "bodenlos" zurück und warf Merz eine unnötige Polarisierung vor. "Viele Menschen im Land wissen gar nicht mehr, wo ist denn Ihr Kompass, an dieser Demokratie, an dieser Gemeinsamkeit im Parlament der demokratischen Kräfte mitzuwirken?", fragte sie an den Kanzler gewandt.
Haßelmann warf Merz vor, mit solchen Angriffen seine eigenen Beteuerungen der Kooperationsbereitschaft zu entwerten. Die Grünen-Politikerin bezog sich dabei auf eine Äußerung in der Rede des Kanzlers.
Merz hatte gesagt: "Das ist ein wesentliches Ziel meiner Regierung: nicht konfrontativ, nicht in einer tiefen Spaltung unserer Gesellschaft, sondern Wege aufzuzeigen, wie wir in der Mitte unserer demokratische Entscheidungen treffen können, ohne dass daraus Hass und Hassrede in unseren Parlamenten und in der Öffentlichkeit wird."
L.Chatterjee--MT